Frederic Chopin: Werke für Klavier und Orchester

Das Interpretationsexperiment: Chopins Werke für Klavier und Ochester in ihren originalen Tempi
1) Die Fragestellung des Experiments
Chopins Werke für Klavier und Orchester sind von Chopin selbst sorgfältig nicht nur mit den traditionellen Tempobezeichnungen, sondern auch mit genauen Metronomangaben versehen (Siehe auf Manuskripten und Erstausgaben beruhende Paderewski Gesamtausgabe). Die Frage ob diese Interpretationsvorgaben überhaupt von den Interpreten berücksichtigt werden, lässt sich bei einem Meister der Nuance wie Chopin natürlich nicht aus der statischen Anwendung der Metronomangaben auf den geschrieben Notentext ermessen. Die Notwendigkeit Chopins Werke durch eine detaillierte Agogik musikalisch auszugestalten, ist unbestritten.
Das hier vorgestellte Experiment versucht nun beide Aspekte so zu verbinden, dass die vorgegebenen Tempi erkennbar bleiben, ohne es an der ganz unterschiedlich erforderlichen metrischen Freiheit der Ausgestaltung missen zu lassen. Ein Vergleich der sich aus dieser Tempogestaltung ergebenden Spieldauern mit den Spieldauern traditioneller Interpretationen derselben Stücke können einen gewissen Eindruck davon geben, wie weit die Interpretationstradition dieser Stücke sich noch im Rahmen der tatsächlichen Tempovorgaben Chopins bewegt. Die hier präsentierten Aufnahmen vermitteln zugleich einen konkreten klanglichen Eindruck, davon wie diese oft gespielten Werke klingen könnten, wenn man denn auch die Angaben Chopins zu Tempogestaltung genauer beachten würde.
2) Ermittlung wahrscheinlicher Spieldauern durch agogisch freie Interpretaion von Chopins Tempovorgaben
Chopins Tempovorgaben werden von den hier präsentierten digitalen Interpretationen nicht statisch angewandt, sondern fungieren als Obergrenze einer sehr flexiblen Tempogestaltung des Tempo, die offen ist für jede musikalisch erforderliche lokale Temporeduktion. Von Chopins Tempovorgaben wird dabei im wesentlichen nur nach unten abgewichen. Allerdings bleiben die von Chopin vorgegebenen konkreten Metronom insofern eingehalten, dass das Tempo sie nicht völlig verlässt, sondern trotz aller Freiheit der musikalischen Detailgestaltung immer wieder zu ihnen zurückkehrt. (siehe Tempokurven)-
Variations sur "La ci darem la mano" op.2
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1. Concerto op.11,I Allegro maestoso
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1. Concerto op.11,II Romance larghetto
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1. Concerto op.11,III Rondo vivace
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Grande Fantasie sur des airs nationaux polonais op.13
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Krakowiak op.14
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2. Concerto op.21, I Maestoso
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2. Concerto op.21, II Larghetto
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2. Concerto op.21, III Allegro vivace
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Andante spianato op.22
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Grande Polonaise brilliante op.22


3) Die Spieldauern traditioneller Interpretationen sind überwiegend deutlich länger als die auf Chopins Tempi basierenden
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Durchschnittliche Abweichung von Interpretationen von Tempovorgaben
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Vergleich der durchschnittliche Spieldauer von Interpretationen der Konzerte mit auf Chopins Tempi basierenden Dauern


- Insgesamt deutet sich schon eine allgemein verlangsamende Verfremdung der Tempi Chopins an, da der Durchnitt sämtliche einbezogenen Interpretationen eine über 12 % längere Spielzeit aufweisen als sich mit den hier vorgesteellten eng auf Chopins Tempi bezogenen Interpretaion ergeben.
- Die stärksten Abweichungen ergeben sich bei langsamen Sätzen und den Kopfsätzen der Konzerte, bei denen die durchschnittliche Spieldauer traditionneller Interpreten um bis 30 % im einzelnen sogar über 40 % länger sind als es sich bei der hier vorgestellten freien aber konsequenten Orientierung an Chopins Metronomangaben ergibt.
- Dagegen werden Tanzcharaktere wie die beiden Krakowiaks op.11,II und op.14 oder die Polonaise offenbar in viel ähnlicheren Tempi interpretiert beide Krakowiaks sogar eher noch schneller gespiellt als sich dies aus den Tempovorgaben Chopins ergibt, wobei sich die Frage ergibt, ob diese schnelleren Tempi überhaupt von Chopiin gewollt, waren oder nicht ein verhalteneres Tempi weit mehr Gelengheit zur charakteristischen Gestaltung im Detail öffnen würde.
4) Die Daten im Detail
Die Datengrundlage sind jeweils zwischen 7 und 9 verschiedene Interpretationen eines Satzes/Werkes Chopins für Klavier und Orcheter. Das ergibt zwar rein quantitativ gesehen kaum eine statistisch nennenswerte Größe. Allerdings wird die Summe der Aufnahmen von Klavierkonzerte ohnehin, kaum eine rein quantitative statistisch Validität erhalten. Dagegen handelt es sich weitgehend um besonders exponierte Interpreten, deren Interpretation zumindest im besonderen Maße als prägend für die allgemeine Auffassung der Werke angesehen werden dürfen. Zudem ergibt sich dass auch in dieser kleinen Übersicht die angedeutete Tendenz zu langsamer Tempi immer noch in so überraschender Deutlichkeit, dass es nahelegt einmal die tatsächlichen Tempi zu erproben..
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Variations sur "La ci darem la mano" op.2
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1. Concerto op.11,I Allegro maestoso
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1. Concerto op.11,II Romance larghetto
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1. Concerto op.11,III Rondo vivace
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Grande Fantasie sur des airs nationaux polonais op.13
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Krakowiak op.14
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2. Concerto op.21, I Maestoso
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2. Concerto op.21, II Larghetto
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2. Concerto op.21, III Allegro vivace
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Andante spianato op.22
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Grande Polonaise brilliante op.22

